02.04.2012

Bodo - Eine wahre Geschichte aus meinem Leben


Es gab eine Zeit, in der ich selbst kaum Geld zur Verfügung hatte und mit dem auskommen musste, was „Vater Staat“ den Mittellosen zugesteht. Das ist wahrhaftig nicht viel, es reicht so eben zum Überleben – aber ich war dennoch dankbar, dass wir in Deutschland diese Unterstützung bekommen und nicht (wie beispielsweise in Amerika) auf der Straße leben und betteln müssen.

Eines Tages ging ich wieder einmal in die Stadt zum Einkaufen, da sah ich an einem Laternenpfahl einen sehr jungen Mann auf der Erde sitzen, mit gesenktem Kopf, im Schneidersitz, ziemlich heruntergekommen und offensichtlich in der Hoffnung, dass ihm etwas Geld gegeben werden würde. Auch wenn man ja häufiger einmal Bettler irgendwo sitzen sieht, so war ich von diesem Bild doch besonders ergriffen. Nicht, weil es kalt war und der junge Mann bestimmt fror – nein, es war etwas Anderes, etwas Ungewöhnliches, das ich weder erklären noch beschreiben konnte. Ich ging also an diesem stillen Bettler vorbei, und legte ihm dabei einige Münzen in seine Mütze. Der junge Mann sah auf, bedankte sich höflich – und ich sah in 2 strahlend-blaue Augen, die sehr viel Tiefe verrieten und eigentlich fröhlich gucken wollten.... Nun war ich noch mehr irritiert – lächelte ihn an, ging jedoch weiter. Beim nächsten Gang zum Einkaufen sah ich den jungen Mann wieder an dem selben Pfahl in der selben Haltung dort sitzen. Diesmal konnte ich nicht einfach an ihm vorbei gehen – ich ging direkt auf ihn zu, hockte mich neben ihn und sprach ihn an: „Darf ich Sie mal etwas fragen?“
Ich werde nie den Blick vergessen, mit dem mich die 2 leuchtend-blauen Augen erstaunt ansahen: Es lag neben dem Erstaunen so viel Dankbarkeit und so viel Freude in dem Blick, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Er willigte ein und ich fragte ihn nach seiner Geschichte, warum er hier saß. Bereitwillig erzählte Bodo (Name geändert) mir nun in aller Kürze seine umfangreichen Erfahrungen und ich verstand, was ihn dazu getrieben hatte, zu betteln. Aus mehreren Gründen bekam Bodo weder Wohnung noch Geld und musste mit dem, was er am Leib trug, auf der Straße vor sich hin vegetieren. Eigentlich unvorstellbar bei uns in Deutschland, aber in diesem Fall doch offensichtlich so geschehen. Ich nahm echten Anteil an seiner Geschichte, konnte ihm noch einige Tipps geben, an wen er sich noch wenden konnte, ließ wieder einige Münzen bei ihm, verabschiedete mich und ging weiter. So ging es etliche Wochen, mehrmals die Woche „besuchte“ ich Bodo, wir unterhielten uns über seine Erlebnisse und seine Träume, wie es für ihn weiter gehen sollte – denn Bodo hatte keinesfalls aufgegeben. Das momentane Problem für ihn war, dass er aufgrund seines heruntergekommenen Äußeren keine Arbeit fand und die Behörden eben sehr lange brauchten, um die richtige „Versorgungsquelle“ für ihn zu finden. Bodo hatte ganz klare Vorstellungen, wie sein Weg weiter gehen sollte, wo er in welcher Position arbeiten (er war ein studierter Mann) und wie er leben würde – er wusste nur noch nicht, wie er das alles realisieren könnte. 
Es hat mich tief beeindruckt, dass ein Mensch in seiner Lage noch so selbstbewusst, so zielgerichtet, so voller Hoffnung und Dankbarkeit sein kann. Da ich ja selber mit sehr wenig zurecht kommen musste und mir das schon schwer fiel, konnte ich mir ungefähr vorstellen, wie schlimm es sein muss, 4 Euro zusammen zu betteln, nur um einmal bei der Heilsarmee eine Nacht in einem Bett zu verbringen oder einmal duschen zu können! Ganz abgesehen davon, dass man ja auch essen und trinken muss, um zu überleben... wirklich hart! Aber für Bodo war es viel wertvoller, Menschen zu treffen, die ihn wahrnahmen, die ein nettes Wort für ihn hatten und ihn nicht ignorierten.
Aufgrund der Einstellung, die Bodo mir zeigte, kam mir ein Gedanke: ich würde ihm ein Buch schenken. Natürlich nicht irgendein Buch, sondern eins von Walsch: „Gemeinschaft mit Gott“. Ich hatte es selbst kurz zuvor noch einmal gelesen und fand darin sehr viel Trost und Kraft – daher hoffte ich, dass es Bodo ebenso stärken könnte. Gedacht – getan, ich schrieb ein paar Zeilen als Widmung in das Buch packte es hübsch ein und brachte es Bodo. Seine Freude war ebenso groß wie seine Überraschung! Wir unterhielten uns wieder einige Zeit und ich erzählte ihm, warum ich ihm dieses Buch schenken möchte. Bodo hielt das Buch wie einen Schatz in seinen Händen und streichelte den Einband. Nach einer Weile des Schweigens bat Bodo mich, am übernächsten Tag wieder zu kommen, er wolle mir auch etwas schenken. Stellen Sie sich das einmal vor: ein Mensch der nichts hat, will etwas schenken! Ich versuchte, abzuwehren und sagte ihm, dass mir seine Gesellschaft, seine Freude, seine kraftvolle Hoffnung doch schon so viel bedeute, dass ich nichts weiter bräuchte. Doch er bestand darauf - und als ich am übernächsten Tag wieder bei ihm war, gab er mir das Einzige, was ihm von seiner Großmutter noch geblieben war: einen Kettenanhänger! Ich war zu Tränen gerührt und mochte das Geschenk nicht annehmen, wollte Bodo aber auch nicht enttäuschen. Dieser Anhänger hat einen ganz besonderen Platz bei mir bekommen...
(Bodo verriet mir bei diesem Treffen, dass er ein paar ganz wenige Habseligkeiten im Wald versteckt hatte.)
Es war eins unserer letzten Treffen, denn nun war es für Bodo an der Zeit, aufzubrechen in die Stadt, in der er arbeiten wollte. Sollte er wider Erwarten keine Arbeit bekommen, so würde er zurückkehren, versprach er. 
Ich habe Bodo nie wieder gesehen. Ich hoffe – nein, ich bin überzeugt, er hat seinen Weg gefunden und ist glücklich!
Wer nichts hat und dennoch gibt ist ein glücklicher und reicher Mensch!

Mit herzlichen Grüßen,
Ihre Elke v. Spiczak


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